DAF XF 105.510 im Test

DAF XF 105.510
Foto: ETM-Verlag

DAFs ehemaliges Flaggschiff stellt sich dem Test. Von 2005 bis 2013 rollte der DAF XF 105 vom Band. Die Jahre sind nicht spurlos am langgedienten Konzept vorbeigegangen.

Die Wurzeln des XF 105 reichen bis ins Jahr 1987 zum DAF 95. Zwischendurch haben die Holländer ihr Flaggschiff immer wieder überarbeitet. Der XF 105 ist mittlerweile die dritte Version. Das Konzept ist mit den Jahren zwar gealtert, die Technik unter dem Blech hat sich hingegen stetig weiterentwickelt. Vor allem bei der Inneneinrichtung und in vielen Details sieht man dem XF 105 sein Alter an. Trotzdem erfreut er sich europaweit großer Beliebtheit. Dies dürfte am ausgereiften Konzept liegen.

Viel Platz im Fahrerhaus und neue Sicherheitsfeatures

Das sogenannte Super Space Cab bietet dem Fahrer besonders viel Wohnraum. Dabei bietet es eine praxisgerechte Einrichtung, reichlich Stauraum (auch unter der Liege) und Bewegungsfreiheit. Viele Details wie die große offene Ablage mittig auf dem Armaturenträger, das Fliegengitter in der Dachluke oder die komfortable untere Liege zeigen sich durchdacht und machen klar, dass DAF nicht nur den Käufer, sondern auch den Fahrer im Fokus hat.

Mit der letzten Modellpflege zogen einige Sicherheits- und Assistenzsysteme ins Fahrerhaus des XF 105 ein. Dazu zählt der adaptive Tempomat ACC oder ein Spurhalteassistent. Beide kosten extra – wie auch bei den Wettbewerbern. Das ACC von DAF bremst mit einer Verzögerung von 2,5 m/s². Auch das ist klassenüblich und bremst den DAF schon ordentlich ein. Wird ACC aktiv, springt zuerst die Motorbremse an. Danach folgt der Retarder und erst dann die Betriebsbremse. Damit erklärt es sich fast von selbst, dass ACC nur im Verbund mit Retarder bestellbar ist. Zum Thema Sicherheit zählt auch die Türverriegelung Night Lock. Dahinter verbergen sich zwei verschiebbare Bolzen, mit denen sich die Türen von innen zusätzlich verriegeln lassen und die es bisher nur bei DAF gibt.

Kritikpunkte bleiben nicht aus

Noch immer vertraut DAF auf ein stehendes Bremspedal. Daran müssen sich Fahrer erst einmal gewöhnen. Grund zur Kritik bieten auch die Außenstauräume. Die Größe geht in Ordnung. Allerdings fallen die Öffnungen viel zu knapp aus. Überdies lässt der Sechszylinder namens MX Laufkultur vermissen. Zudem verursacht der Fahrtwind an den A-Säulen und am Hochdach nicht zu ignorierende Geräusche.

Auch das große Display zwischen Tacho und Drehzahlmesser könnte anwenderfreundlicher sein. Die rote Schrift auf schwarzem Hintergrund ist schlecht abzulesen. Dafür bleibt das Motorgeräusch im Hintergrund. Das ist der ausreichenden Dämmung im Motorraum geschuldet. Dies zeigt sich vor allen Dingen darin, dass der Geräuschpegel bei sinkender Geschwindigkeit und Vollgas mit hohen Drehzahlen am Berg kaum ansteigt.

Von DAF entwickelt, als Paccar verkauft

Die MX-Motoren laufen seit 2004 vom Band. Während DAF die Aggregate entwickelt hat und in Eindhoven baut, werden die Motoren als Paccar MX verkauft, nicht als DAF. Es muss den Holländern in der Seele weh tun, dass ihr Motor auch in den USA bei Peterbilt und Kenworth als Paccar MX zum Einsatz kommt. Die stärkste Version des 12,9 Liter großen Sechszylinders heißt MX375 und leistet 510 PS oder 375 kW. Das maximale Drehmoment (2.500 Nm), das zwischen 1.000 und 1.410 U/min anliegt, sorgt letztlich dafür, dass die 510 PS bei Bedarf schon bei 1.500 U/min bereitstehen und bis 1.900 U/min auf gleicher Höhe bleiben.

Der Motor ist mit 162 Millimetern Hub bei 130 Millimetern Bohrung langhubig ausgelegt. Trotz des einteiligen Zylinderkopfes hat die Nockenwelle ihren Platz tief unten auf der rechten Seite im Motorblock. Sie steuert nicht nur die insgesamt 24 Ventile, sondern übernimmt auch den Druckaufbau in den Einzelsteckpumpen. Eine kleine Besonderheit des MX-Motors: Auspuffkrümmer und Turboladergehäuse bestehen aus einem gemeinsamen Gussteil. Bei der Motormontage mag das praktisch sein, beim Ausfall des Laders wird es auf alle Fälle teuer.

Zügig unterwegs trotz langer Übersetzung

Der Testwagen tritt mit einer langen Achsübersetzung von 2,69 zu 1 an. Bei Tempo 85 liegen deshalb nur 1.250 U/min an. Damit marschiert der XF105.510 zügig über die Teststrecke. Auch die Schaltvorgänge gehen in Ordnung. Auffallend bei diesem Test: Die Schaltstrategie von DAF hat sich geändert: von einem gewissen Hang zur Sportlichkeit in Richtung ökonomisch. Die Automatik schaltet früher hoch als vorher und wartet länger mit dem Runterschalten. Teilweise dauert das aber zu lange. In der Regel wechselt das Getriebe erst bei knapp über 1.000 Umdrehungen vom zwölften in den elften Gang. Hat die Elektronik den Grad der Steigung aber erst mal erkannt, folgen weitere Schaltungen schon bei 1.200 min. Kritik: Würde die Automatik schon früher von zwölf auf elf wechseln, ließe sich manche Schaltung in den zehnten Gang vermeiden.

Der DAF XF 105 hat serienmäßig das neue, manuell zu schaltende Ecosplit-Zwölfganggetriebe von ZF an Bord. Mittlerweile erträgt dieses Getriebe Eingangsdrehmomente von 2.100 bis 2.800 Nm und arbeitet grundsätzlich in Direktgangausführung. Die Spreizung fällt mit 15,57 kaum kleiner als bei den 16-Gang-Getrieben (16,41) aus, das Gewicht (ohne heckseitigen Retarder) reduziert sich um 40 auf 280 Kilogramm. Was den Verbrauch angeht, leistet sich der DAF XF 105.510 keine Ausreißer. An der Leistung und am erreichten Tempo gemessen liegt der Verbrauch von 36,4 L/100 km im guten Mittelfeld. Einzige Einschränkung: hohe Drehzahlen jenseits von 1.600 U/min sollten tabu sein.

DAF Engine Brake lohnt sich

Gegen einen Aufpreis von rund 2.400 Euro verdoppelt sich die Leistung der Motorbremse. Die Dekompressionsbremse DAF Engine Brake (DEB) bietet eine Bremsleistung von 320 kW bei 2.300 Umdrehungen pro Minute. Die reguläre Auspuffklappenbremse kommt nur auf 160 kW. In vielen Fällen kann man sich damit einen Retarder sparen, der nicht nur deutlich mehr kostet, sondern auch weitere 70 bis 80 Kilogramm zum ohnehin hohen Leergewicht des XF105 addiert.

Dennoch ist ein Retarder, bei DAF der Intarder von ZF, durchaus sinnvoll. Nicht nur der höherem Dauerbremsleistung von bis zu 500 kW wegen. Schließlich fährt es sich damit deutlich eleganter, wenn Tempomat und maximale Geschwindigkeit bei Talfahrt (einzig plus drei km/h sind möglich) eingestellt sind. Denn nur mit der quasi einstufigen DEB-Motorbremse hält der DAF das eingestellte Tempo bergab nicht oder schaltet auf leichten Gefällen die Motorbremse stetig und ziemlich ruckartig ein und wieder aus. Ganz gleichförmig und komfortabel rollt der XF105 dagegen mit Retarder talwärts.

Leer knapp 7,7 Tonnen

Kunden, die besonders sensibel für das Thema Nutzlast sind, werden im hohen Gewicht des XF 105 ein Manko sehen. In der standardisierten Testspezifikation steht er mit fast 7,7  Tonnen auf der Waage. Ein 540er MAN wiegt unter gleichen Voraussetzungen gut 300 Kilogramm weniger, selbst ein Scania V8 ist nicht schwerer als der XF105. Wer im DAF XF105 hohe Nutzlast unbedingt braucht, der sollte das Reserverad zu Hause lassen, einen möglichst kleinen Tank montieren, auf das Super Space Cab verzichten und das rund 70 Kilogramm leichtere Space Cab (ohne Hochdach) vorziehen.

Die wesentlichen Unterschiede der beiden Fahrerhäuser: 370 Millimeter weniger Innenhöhe, weniger Stauraum oberhalb der Frontscheibe und weniger serienmäßige Einrichtung. Auch im niedrigeren Space-Cab-Fahrerhaus (maximale Innenhöhe rund 1.900 Millimeter) bleibt Platz für zwei Liegen – freilich mit der Einschränkung, dass der Freiraum darüber etwas knapp ausfällt. Die Pluspunkte des DAF XF105.510 in Super-Space-Cab-Ausführung sind sicher das große und praxisgerechte Fahrerhaus, der kräftige, wenn auch nicht immer kultivierte Motor, die guten Fahrleistungen, der hohe Fahrkomfort und die Reife. Nachbessern muss DAF aber besonders bei der Nutzlast, der Bedienung und den Windgeräuschen. Auch so manches Detail können andere Hersteller besser.

Einen weiteren Testbericht für die DAF XF-Reihe finden Sie hier.



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